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Klimakommune Saerbeck: Mit Bürger:innenbeteiligung zur Klimaneutralität

Foto: J.-H. Janßen 

Die Gemeinde Saerbeck im Münsterland produziert bereits heute vier Mal so viel Strom wie sie verbraucht. Das Ziel bis 2030 klimaneutral zu sein, wird der 7.500 Einwohnenden-Ort sehr wahrscheinlich erreichen, und zwar mit einer Bürger:innenbeteiligung, die weit über eine Ideensammlung hinaus geht.

„Das größte Hindernis ist die Verwaltung“ 

In der Klimakommune konnte der CO2-Ausstoß in zehn Jahren von 9,9 Tonnen pro Kopf auf 5,5 Tonnen pro Kopf reduziert werden. Schlüssel dafür war eine breite Beteiligung der Bürger:innen an den Maßnahmen zur Klimaneutralität. „Das größte Hindernis ist die Verwaltung“ entgegnet Guido Wallraven, Projektleiter der Klimakommune auf die Frage, womit die Stadt auf dem Weg zur klimaneutralen Energieversorgung am meisten zu kämpfen hatte. Doch davon ließ Saerbeck sich nicht abhalten und nahm den Klimaschutz einfach selbst in die Hand. Die Einwohnenden haben unter anderem eine Windenergieanlage zu einem Teil selbst finanziert und profitieren jetzt von der Dividende, die ihr Windrad jedes Jahr abwirft. 

Aber von vorne. Die kleine Gemeinde hat schon früh erkannt, dass der Klimawandel eine zentrale Herausforderung des 21. Jahrhundert werden wird. Seit 1989 arbeitet die Stadt an entsprechenden Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels. 2009 erhielt die Gemeinde die Auszeichnung NRW-Klimakommune der Zukunft und damit eine Förderung, um mit dem Bioenergiepark auf einem ehemaligen Gelände der Bundeswehr zu starten. Dieser erzeugt inzwischen über Wind, Sonne und Biomasse genug Strom für über 18.000 Haushalte. 

Ein Windrad in zwei Jahren

Foto: EnergieAgentur.NRW

Die Gemeinde bot den Bürger:innen die Möglichkeit, sich über eine Bürger:innengenossenschaft an den 70 Millionen Euro Investitionskosten zu beteiligen. Dazu gründeten Bürger:innen zusammen mit der Volksbank Saerbeck die Bürger:innengenossenschaft „Energie für Saerbeck eG“. Mitglieder der Bürger:innengenossenschaft können Geschäftsanteile in Höhe von 1.000 Euro erwerben und haben dadurch die Möglichkeit, den Weg der Gemeinde zur Umweltkommune nicht nur ideell zu begleiten, sondern auch finanziell zu unterstützen. 

Dies hat einen doppelten Effekt: In einer Kommune zu leben, die zum einen im Jahre 2030 eine ausgeglichene Energiebilanz aufweisen kann, und die zum anderen durch die finanzielle Beteiligung zusätzlich eine attraktive Rendite abwirft. So gehört den Bürger:innen der Strom, den sie verbrauchen, zu einem Teil selbst. Ausschließlich lokale Investoren haben den Bau der Windkraftanlagen ermöglicht und allen wird auf Augenhöhe begegnet. Um Standortunterschiede auszugleichen, werden die Erträge der sieben Windkraftanlagen addiert und gleichmäßig aufgeteilt.

Außerdem ist der Prozess unfassbar schnell. Nach dem Erwerb des Geländes im Jahr 2011 konnten bereits 2013 insgesamt sieben Windräder in Betrieb gehen. Zum Vergleich: Durchschnittlich dauern Planung, Genehmigung und Bau eines Windrads derzeit etwa fünf bis sieben Jahre. 

Klimaschutz wohin das Auge blickt

In Saerbeck ist Klimaschutz fest im Alltag der Einwohnenden verankert. Durch zahlreiche Vortragsveranstaltungen, Informationsfahrten und Workshops sowie durch die rege Teilnahme an sog. Energiegesprächen haben sich die Saerbecker Bürger:innen stets informiert und sich aktiv an der Entwicklung der Gemeinde zur Klimakommune beteiligt. 

Lernen ist ein wichtiger Bestandteil der Strategie. Der Bioenergiepark erzeugt nicht nur Strom, sondern zeigt auch wie’s geht: Auf dem Gelände haben sich auch Unternehmen und Bildungseinrichtungen wie die FH Münster angesiedelt, die zu nachhaltiger Energie forschen, unterrichten und Führungen anbieten.

Auf einem Energieerlebnispfad durch die Stadt wird der Weg der nachhaltigen Energie für alle sichtbar. Mitten im Stadtkern versorgt eine gläserne Heizzentrale über ein Nahwärmenetz einige Gebäude mit Warmwasser. Auch die Wärme wird nachhaltig erzeugt, mit Holzpellets. In dem alten Schulgebäude wurde extra eine Glassfassade installiert, die die Zukunftsenergien transparent macht und in den Alltag holt. Und auch hier gibt es einen Raum für Seminare und Vorträge. Entlang des Wärmenetzes lernen Jung und Alt außerdem, wie sie Energie sparen und warum Fahrgemeinschaften sinnvoll sind. So wird Nachhaltigkeit greifbar und die Bürger:innen aktiviert.  

Das Beispiel Saerbeck zeigt, wie über Bürger:innengenossenschaften lange und kräftezehrende Verwaltungsprozesse verkürzt und Klimaschutz selbst in die Hand genommen werden kann. In Köln entsteht zum Beispiel gerade der erste nachhaltige, genossenschaftliche Supermarkt Köllektiv. Eine Anleitung zur Gründung einer Genossenschaft findet ihr in unserem Aktions-Wiki

Selber aktiv werden – aber wie?

Nachbarschaftlicher Einsatz lohnt sich. Damit dieser noch einfacher wird, haben wir für euch Anleitungen gesammelt, teilweise in Kooperation mit Kölner Initiativen – im „Das Gute Leben in den Veedeln“-Werkzeugkoffer. Hier könnt ihr genaue Schritte nachlesen, wenn ihr ebenfalls aktiv werden möchtet oder Inspiration für weitere Aktionen sucht. Ihr findet ihn online auf http://wiki.agorakoeln.de.

Quellen: 

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