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Wall-Fahrt in Köln: Mit dem Rad vom Rhein zum Rhein entlang der inneren Wälle

Es ist Sonntag, 17. Mai, 11.30 Uhr: Gabi und Johanna vom AGORA-Projekt-Team „Mut zur Lücke” stehen am Thürmchenswall 98: Vor ihnen der Rhein – hinter ihnen beginnt die Wall-Fahrts-Strecke. Die Handy-Kamera ist eingeschaltet, die Halterung am Fahrrad-Lenker befestigt, der Ton gecheckt, auch der Mundschutz sitzt – es kann losgehen! Die erste Wall-Fahrt entlang der inneren Kölner Wälle war ursprünglich als gemeinsame Radtour mit vielen begeisterten Fahrrad-Fahrer*innen geplant.

Da Menschenansammlungen auf Grund der Corona-Pandemie aktuell noch verboten sind, fahren die beiden nun die Route zu zweit – und sind doch nicht allein. Es schauen etwa 17 Zuschauer*innen an ihren Bildschirmen zu – zwei von ihnen, Luca und Martin, gehören ebenfalls dem AGORA-Team an und moderieren und kommentieren online.

Wozu das Ganze? Wir wollen auf die Fahrradstrecke entlang der inneren Wälle als Alternative zu den Ringen aufmerksam machen. Einige Knackpunkte (Friesenplatz!) und Baustellen (Gereonswall!) gibt es zwar noch – aber alles in allem kann man entspannt und entschleunigt vom Rhein am Thürmchenswall im Kölner Norden bis zum Rhein am Severinswall im Süden radeln. Wir haben dabei versteckte, grüne Oasen entlang der Strecke entdeckt und interessante Menschen kennengelernt – welche das sind, erfahrt ihr hier.

Aktions-Stopp 1: Eigelstein Torburg 

Am ersten Aktions-Stopp an der Eigelstein Torburg treffen wir Ruth Wennemar, Sprecherin Bürgerverein Kölner Eigelstein e.V.: „Wir vom Bürgerverein Eigelstein sind sehr umtriebig, und haben ganz bunte, gemischte Mitglieder. Wir sind am Ebertplatz aktiv und bei den Bahnbögen und machen uns für Begrünung stark. Bei uns kann jede/r Mitglied werden – wir haben sogar Mitglieder aus anderen Veedeln, worauf wir besonders stolz sind.”

Neben ihr steht ein Lastenrad. Was ist das Eigelbike?

„Als Mitglied unseres Vereins kann man das Lastenrad ‘Eigelbike’ ausleihen. Das ist ein besonders toller Service, der auch von vielen genutzt wird. Ich finde es ersetzt wirklich das Auto. Ich habe mein Auto abgeschafft und fühle mich dadurch jetzt viel freier. Für mich ist das Freiheit: Nicht überlegen zu müssen, wo man parkt.”

Wann wird der „Eigelstein autofrei”?

„Wir haben zusammen mit vielen Anwohnenden einen Bürgerantrag gestellt, der positiv entschieden wurde. Ziel ist es, dass der Autoverkehr am Eigelstein bis Ende des Jahres verboten wird und mehr Platz für Fahrräder und Fußgänger bleibt. Wir haben auch Bäume beantragt, damit der Eigelstein in Richtung Bahnbögen schöner gestaltet wird.”

Weiter zum Aktions-Stopp 2 auf dem Gereonswall: GemüseAckerdemie

Lisa Kutsch, engagiert sich bei der GemüseAckerdemie, und Franz Bauske, Hobby-Gärtner (seit drei Jahren ehrenamtlich mit dabei) warten schon auf uns.

Lisa: „Unter dem Motto der GemüseAckerdemie Ackern schafft Wirkung’, ist hier oben der Schulgarten der Bildungslandschaft Altstadt Nord entstanden. Das sind ganz verschiedene Schulen, die zusammengekommen sind und diesen Garten gemeinsam beackern. In sieben Hochbeeten wachsen bis zu 20 Kulturen. Die Schüler, Kinder und Jugendlichen erleben hautnah, wie Gemüse heranwächst und wie es schmeckt.” „Es ist eine versteckte grüne Oase“, ergänzt Franz Bauske, der uns erzählt, dass es ein langer Prozess war, bis der Schulgarten hier oben genehmigt wurde.

Expertenwissen entlang der Strecke:

Martin Herrndorf: „Die Wälle entlang zu fahren, braucht ein bisschen Expertenwissen, weil man manchmal nicht genau weiß, ob man rechts oder links fahren muss, aber es lohnt sich. Aber beim ersten Mal findet man die Strecke glaube ich nicht so leicht.”

Weiter auf dem Gereonswall überqueren wir die Christophstraße, Martin erzählt: „Hier werden stadtein- und stadtauswärts jeweils eine breite Spur als Fahrradspur umgewidmet. Dasselbe ist auch auf der Magnusstraße beim Friesenplatz bereits beschlossen.”. Beide Straßen würden sich auch für eine PopUpBikeLane nach Berliner Vorbild anbieten.

Aktions-Stopp 3: Friesenwall und Kiosk mit der Bank 

Inzwischen sind wir am Friesenwall angekommen, wo uns Tim Lahr vom Gartenprojekt an der Kartäuserkirche auf dem Fahrrad einholt. Er wohnt im Agnesviertel und fährt schonmal entlang der Wälle in den Kartäusergarten, wo wir ihn später noch besuchen werden. 

Am Friesenwall wurde im Mai 2019 eine Fahrradstraße fertiggestellt, was die Aufenthaltsqualität sowohl für Radfahrer*innen, als auch für Fußgänger*innen enorm steigert. Auch die breitere Fahrbahn und die Implementierung eines sog. “Multifunktionsstreifen” tragen dazu bei: Auf diesem können jetzt Fahrräder abgeschlossen werden, man findet dort Sitzbänke mit Pflanzkübeln, z. B. vor dem Kiosk Rotana, Cafés und Restaurants haben darauf Platz für ihre Außengastronomie! 

Aktions-Stopp 4: Ex-Corner in der Schaafenstraße 

In der Schaafenstraße treffen wir Arndt Klocke, Fraktionsvorsitzender der GRÜNEN Landtagsfraktion NRW, Verkehrspolitischer Sprecher und Mit-Organisator des “Naked Bike Ride”.

Er erläutert die Bedeutung der Ecke für die schwul-lesbische Szene Kölns – im Ex-Corner und den Kneipen drumherum treffen sich Schwule, Lesben und Freunde zum Feiern – in den Kneipen und auch auf der Straße. Passenderweise fand die Wall-Fahrt genau am IDAHOBIT statt, dem internationalen Tag gegen Homo-, Bi- und Transfeindlichkeit – und wir könnten noch die Einladung zum Online-Event des Cologne Pride unterbringen.

Welche Bedeutung hat die Kreuzung für die Mobilität?

Arndt Klocke: „Es gibt ja schon Fahrradstreifen zumindest teilweise, aber nicht so, wie es der Endzustand sein sollte. Mein Wunsch ist es, dass man diese Straße möglichst umfassend vom Autoverkehr befreit und dass es hier eine vernünftige Radspur und Platz für Außengastro gibt. Es wäre wünschenswert, wenn es hier eine Verkehrsberuhigung gebe, vielleicht eine Einbahnstraßenführung. Stattdessen ist es eine Mischung aus Baustelle und Auto-Parkplatz.” 

Weiter geht’s auf dem Mauritiuswall, wo das Kopfsteinpflaster gegen einen fahrradfreundlicheren Belag ausgetauscht wurde. 

Aktions-Stopp 5: Langer Tisch am Sachsenring

Im Sommer 2017 wurde zwischen Sachsenring und Kartäuserwall im Rahmen des STADTLABOR 2017 ein 28 Meter langer Holztisch gebaut. Verantwortlich dafür sind Boris Sieverts, Uschi Huber und die Initiative StadtOASEN. „Hier kann man sich prima im Grünen aufhalten, sich Corona-konform mit viel Abstand mit Freunden treffen, am Laptop arbeiten und dabei draußen sein. Auch für Rollstuhlfahrer*innen ist diese lange Bank zugänglich”, findet Johanna. 

Aktions-Stopp 6: Ulrichgasse

Die Ulrichgasse ist ein Vorzeigeprojekt in Sachen fahrradfreundliche Stadtumgestaltung der Stadt Köln. Martin Herrndorf: „Als auf der Ulrichgasse eine Fahrradspur umgewidmet wurde, war das eine Revolution und bis dahin undenkbar. Was vor 3 bis 4 Jahren noch total experimentell war, ist heute der neue Standard. Das zeigt, was sich in gar nicht so großen Zeitabständen alles ändern kann.”

Die Ergebnisse wurden auch ausgewertet – Wissenschaftler*innen zählten und beobachteten das Verhalten von Radfahrer*innen und Fußgänger*innen vor und nach dem Umbau. Dabei stellten Sie fest, dass nicht nur mehr Radfahrer*innen die Strecke nutzen – sondern dass trotzdem weniger Radfahrer*innen auf dem Gehweg fuhren und es weniger Konflikte und Ausweichmanövern zwischen Fußgänger*innen und Radfahrer*innen gab.

Nach einem kurzen (ungeplanten) Stopp wegen eines platten Fahrradreifens, tauschen wir kurzerhand die Räder – und Gabi radelt allein weiter zum nächsten 

Aktions-Stopp 7: Kartäusergarten

An der Kartäuserkirche treffen wir Tim Lahr wieder. Er ist Pfarrer, Gründer des Gartenprojekts „Lasset uns beeten“ und war bis vor kurzem an der Kartäuserkirche aktiv: „Es ist ein total schöner, ruhiger Ort und man merkt gar nicht, dass man mitten in Köln ist. Die Menschen, die hier herkommen nehmen das Gelände ein, setzen sich hin, lesen ein Buch und genießen die Ruhe in der Stadt.”

Wie kann man beim Gartenprojekt mitmachen? 

Tim: „Man kann einfach kommen. Wir treffen uns jeden Samstag um 14 Uhr zum Gärtnern. Momentan ist es natürlich etwas schwierig, aber wir halten den nötigen Abstand ein. Es sind immer Leute da, die man ansprechen kann.” Wir haben schon die Pflanzkisten für unsere ‚Parklücke‘ gebaut”. Mehr über das Projekt “Mut zur Lücke.” erfahrt ihr hier.

Weiter auf dem Kartäuserwall Richtung Severinswall zum

Aktions-Stopp 8: Mobilstation Severinswall: Sharing at its best!

Hier stehen ganz unterschiedliche Formen von Mobilität zum Ausleihen zur Verfügung. „Man sieht ein Lastenrad von Donkee, es gibt einen Ort für Leih-Lastenräder, ganz normale Fahrräder, KVB-Leih-Räder und eine Cambio-Station. „Die Idee ist, dass man mit seinem Rad zur Mobilstation fährt, sich z. B. ein Lastenrad ausleiht, seinen Einkauf macht, bei sich zu Hause auslädt, das Lastenrad wieder abstellt und mit seinem eigenen Rad weiterfährt”, erzählt Martin. Dass es eine öffentliche Toilette gibt, ist auch praktisch!

Aktions-Stopp 9: AWO Seniorenzentrum Arnold-Overzier-Haus

Luca: „Wir wollen alle Leute einbeziehen, nicht nur Radfahrer*innen, sondern auch ältere Menschen und Fußgänger*innen sollen sich sicher bewegen können.” 

Wit treffen Frau Stubbe, stellvertretende Leiterin des AWO Seniorenzentrum Arnold-Overzier-Haus: „Die Senior*innen leben immer noch abgeschottet, aber jetzt gibt es seit einer Woche eine Lockerung, sodass man in separaten Räumen Besuch empfangen.” 

Wie „begehbar“ ist das Quartier für Senior*innen? 

„Mit Gehwägen, Rollstühlen oder an einem Arm unterstützend, haben wir uns auf den Weg gemacht und Stolperstellen identifiziert. Das Miteinander im Quartier sollte auch für die Bewohner*innen und alle Senior*innen möglich sein.” Abschließend zeigt sie uns einen weiteren grünen Ort hinter dem Seniorenzentrum: Ein wunderschöner ruhiger Garten mit Sitzmöglichkeiten und viel Ruhe. Hier dürfen die Senior*innen bald wieder spazieren gehen.

Gabi kommt am Ende des Severinswall an und so sind wir einmal vom „Vom Rhein zum Rhein” gefahren.

Ein Schlenker bringt uns zu unserem letzten

Aktions-Stopp 10: Bürgerhaus Stollwerck 

Das Bürgerhaus Stollwerck ist seit Beginn unser Veedels-Partner beim Projekt „Mut zur Lücke”. Hier haben wir schon zwei große Nachbarschaftstreffen veranstaltet, uns zu Plenums-Treffen im Team getroffen und: Hier werden zwei Parklücken von Aktiven aus unserem Projekt temporär umgestaltet.

„Herzlichen Dank, dass ihr mit dabei wart. Vielen Dank an alle Aktionspatinnen, und alle, die an unserer Wall-Fahrt teilgenommen haben. Es ist eine total schöne Strecke! Fahrt sie gern nach – ob zu zweit oder allein: Es macht Spaß!” 

Zum Nachschauen

Hier könnt ihr euch das Video der Wall-Fahrt in voller Länge anschauen:

Zum Nachfahren

Ihr wollt die Wall-Fahrt selber fahren? Die Tour auf komoot findet ihr hier:

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